Letztes Wochenende sass ich recht früh am Morgen auf einer Bank am Spielplatz des Mühleweihers, der 1 Minute entfernt von unserer Haustüre liegt und starrte auf ein kleines Blatt am Boden.
Ainara spielte neben mir in der Sandkiste, 2 kleine Kinder aus der Nachbarschaft und deren Eltern waren auch schon da, es war total ruhig und friedlich.
Ich starre also auf das Blatt, bin voll fokussiert. Gleichzeitig nehme ich ganz fern und unterschwellig alles rund um mich herum wahr und auch in mir. Was ist es überhaupt was da wahr nimmt
und fokussiert? Wie auch immer, Ich falle immer tiefer in die Beobachtung und die Wahrnehmung des Blattes wird immer intensiver. Alles, was in meinem engen Fokus liegt beginnt sich zu
bewegen, zu atmen, zu verformen, als ob sich die festen Bestandteile auflockern und weich werden, sie beginnen zu verfliessen. Jeder Moment ist anders und dennoch scheint alles gleich. Ich
bin fasziniert und beobachte weiter was in mir und auf diesem kleinen Ausschnitt passiert. In mir strömt ein warmer Fluss…Freude, Neugierde, Ruhe, Frieden, Sicherheit… es kommt von weit her
und fühlt sich gleichzeitig so nah an… als ob ich mich selbst in mir und ausserhalb von mir beobachte. So spüre ich plötzlich auch genau, wo es noch spannt, drückt und schmerzt im Körper und
das System bleibt immer noch ganz ruhig in all dem. Eins sehr schöner Moment, den ich sehr geniesse.
Doch plötzlich ein nicht all zu lautes Geräusch; nein, es ist nur die sanfte Stimme des Vaters eines der 2 Kinder. Sofort ist mein Fokus und Aufmerksamkeit zu einem gewissen Grad bei dieser
Stimme und weg vom Blatt. Alles verfestigt sich wieder, spannt kurz an, selbst die Atmung, das Herz steigert ganz kurz ihre Frequenz, ich fühle mich aktiviert. Die Ruhe wird wie aufgewirbelt.
Nur minimal und kaum spürbar, aber es geschieht. Ist mir das bisher bei so Kleinigkeiten noch nie aufgefallen?
Nur eine Stimme aktiviert mich sofort so stark, dass ich den Fokus verliere und dieser kurzfristig herumwandert. Ich meine nicht nur den Fokus der Augen, sondern auch etwas wie die innere
Stabilität und den inneren Fokus. Auf ein Mal wird mir bewusst, dass ich die ganze Umgebung zu einem gewissen Grad immer abscanne, mit allen mir zur Verfügung stehenden Sinnen. Nach was
scanne ich sie ab? Dann wird mir klar, dass mein System permanent abcheckt, ob das, was rund um mich und auch Ainara geschieht gefährlich ist oder nicht. Es ist als ob mein Hirn all diese
Sinneseindrücke fortwährend in gefährlich oder sicher einstuft und mit meinen bisherigen Erfahrungen abgleicht. Ein sehr subjektiver Prozess also, der wohl bei fast allen Menschen
unterschiedliche Ergebnisse liefern würde. Sobald nur eine minimale Veränderung der Situation auftritt, die nur in irgendeine Weise Gefahr signalisiert, ist mein System in Alarmbereitschaft.
Es entspannt sich recht bald wieder, wenn es merkt, dass alles ok ist. Es folgen aber sofort die nächsten Informationen. Diese Unmenge an Input, den es abzuscannen gilt, ist enorm, selbst an
einem so ruhigen und friedlichen Ort, wie dem Mühleweiherspielplatz am Morgen.
Wie ist das zum Beispiel am Hauptbahnhof oder beim Lesen von Nachrichten? Wie ist das mit all den Informationen, die gar nicht unmittelbar um mich herum sind, sondern weit entfernt und
unsichtbar, so wie wahrscheinlich ein Grossteil der Gefahren, die mein Verstand von sich aus gar nicht zuordnen kann und auf die Information anderer angewiesen ist? Kann das überhaupt
funktionieren? Wie soll mein Verstand adäquat auf etwas reagieren, was er nicht wahrhaftig erlebt hat oder gerade unmittelbar in diesem Moment sichtbar ist? Meine Angst wird eine andere sein,
als jene von wem anderen, wenn es darum geht die Lage für sich und sein Umfeld zu analysieren. Und welche Angst hat dann mehr wert? Lebe ich vielleicht in einer permanenten Anspannung und
Angst, vor allem vor dem Ungewissen? Nimmt diese Angst einen sehr grossen Stellenwert ein, ist das Tor zu dieser wunderbar faszinierenden Welt, wie ich sie vorher erleben durfte anscheinend
versperrt. Dieses Tor in diese flüssige Welt öffnet sich anscheinend nur, wenn ich mich persönlich in mir und mit meiner Umgebung sicher verbunden fühle und zum Beobachter werde…. auch zum
Beobachter der Angst… und zwar ganz gleich welche Angst.
Insofern benenne ich momentan meine eigenen Ängste für mich und stelle sie nicht über die Ängste anderer Menschen, auch wenn ich persönlich diese für nicht gerechtfertigt halten sollte. Ich
übe weiterhin in mir ein Biotop zu schaffen, welches aus sich heraus Sicherheit generiert und sichere (Ver)Bindungen offen lässt, um als gemeinsames Ökosystem lebendig zu sein
Kommentar schreiben